Letzter Teil unserer Artikelserie zur Skalierung von Logistiknetzwerken! Nachdem wir uns in den letzten drei Wochen mit den strategischen, räumlichen und zeitlichen Aspekten der Netzwerkskalierung auseinandergesetzt haben, widmen wir uns in diesem Beitrag der operativen Umsetzung.
„Wollen wir eigene Fachkräfte anstellen und anlernen oder stützen wir unsere Operations beziehungsweise Teile davon auf die Ressourcen eines externen Dienstleisters?“ – diese Frage stellen sich viele E-Commerce-Unternehmen beim Thema Logistik-Outsourcing. Ist ja auch naheliegend: Anbieter von Third-Party-Logistics (meist als 3PL abgekürzt) gibt es viele, darunter fast alle großen Namen der Logistik. Eine wirkliche differenzierte Auseinandersetzung mit der Thematik findet allerdings nicht statt. Vorteile, Nachteile, Chancen und Risiken von gezieltem Out- oder gar Insourcing im Logistikkontext besprechen wir deshalb in diesem Artikel.
Die Entwicklung in der Logistikbranche zeigt, dass die Inanspruchnahme von Logistikdienstleistungen keine Ausnahme darstellt, sondern vielmehr einen festen Bestandteil von Strategien zur Sicherung der Wettbewerbs- und Leistungsfähigkeit bildet. Angeführte Beweggründe für diese Entscheidungen sind unter anderem Kapitaleinsparungen, Schonung interner Ressourcen und die Konzentration auf Kernkompetenzen. Oftmals gilt bei teilweiser Auslagerung zudem, dass Logistikdienstleister auf die entsprechenden Prozesse spezialisiert sind und so durch spezifisches Know-how oder technologische Set-ups Prozesse effizienter und qualitativ hochwertiger anbieten. Dies wiederum wird automatisch zum Differenzierungsmerkmal im Wettbewerb zugunsten des Auftraggebers.
Häufig geht es bei der Auslagerung von Logistikkapazitäten um die Verlagerung aller, einiger, oder auch nur einzelner Prozesse in ein Land, das zumindest auf absehbare Zeit noch ein niedrigeres Lohnniveau für Logistikfachkräfte aufweisen wird.
Der Klassiker, den meisten sicherlich geläufig, sind osteuropäische Retourenzentren für ursprünglich deutsche Bestellungen. Da die Annahme und Prüfung von Retouren ein händisch relativ aufwendiger Prozess sind – auch geschulte Mitarbeiter schaffen je nach Set-up pro Stunde „nur“ 30 bis 40 Artikel! –, lohnt sich hier häufig das Umleiten von Retourenpaketen in andere Länder. Dort werden die Pakete dann verarbeitet, gebündelt und wieder an das deutsche Logistikzentrum zurückgeschickt, von dem aus sie ursprünglich versandt wurden. Anders als bei der Vorwärtslogistik ist rückwärts die zusätzliche Transportzeit nur marginal von Bedeutung, insbesondere dann, wenn Kunden bei avisierten Retouren schon ungeprüft ihr Geld zurückerhalten.
Nun ist es im oben beschriebenen Fall streng genommen nicht das Outsourcing selbst, das eine vermeintliche Kostenersparnis ermöglicht. Man könnte ja auch sein eigenes Retourenzentrum eröffnen und würde potentiell dieselben Lohndifferenzen haben können. Was viele Unternehmen die externe Lösung bevorzugen lässt, ist einfache Risiko-Minimierung: Eigene Logistik im Ausland aufzusetzen ist ein riskantes Unterfangen. Das beginnt schon beim Bauprojekt, das man nicht ohne Experten angehen sollte, die sich in der Zielregion und den dortigen Bau- und Brandschutzvorschriften auskennen. Zusätzlich zu den teils doch sehr eigen strukturierten Lohnkosten kommen regional unterschiedliche Anforderungen an einen Arbeitgeber und nicht zuletzt auch unterschiedlich ausgeprägte Streikkulturen. Natürlich ist all das kein Ding der Unmöglichkeit, aber Dienstleister sind oft schon lange Jahre in der jeweiligen Region unterwegs und haben ein solideres Bild vom Arbeitsmarkt.
Ein weiterer Risiko-Aspekt sollte auch nicht unerwähnt bleiben: Besteht das Ziel beim Aufbau von Logistikkapazitäten nicht darin, Kosten zu reduzieren, sondern darin, wirklichen Kundenmehrwert zu erzeugen (z. B. durch ein Satellitenlager in der Nähe von Ballungszentren), ist es meist nicht sicher, wie sehr diese signifikante Anstrengung den Markt beflügeln wird. War man hier als Unternehmen zu optimistisch, ist es natürlich einfacher und kostengünstiger, fremdvergebene Operations wieder abzustoßen, als einen kompletten eigenen Standort zu schließen.
Im Kontext der Prozesskosten müsste man eigene Operations ja eigentlich als langfristig günstiger einstufen, da ein Dienstleister immer mit einer Marge rechnen muss, um profitabel zu wirtschaften. Es gibt aber ein paar Effekte, die externe Dienstleister trotz besagter Marge attraktiv machen können:
Unbedingt bedacht werden sollte außerdem der Fall, wenn man als Unternehmen nicht rechtzeitig eigene Kapazitäten geschaffen hat. In einer solchen Situation ist die Vergabe eines Teils der Prozesse an einen Logistikpartner der vermeintlich schnellste und sicherste Weg, um Kapazitäten zu schaffen. Natürlich sind derart erzwungene Entscheidungen nicht optimal, aber mitunter die beste Option zur Schadensbegrenzung.
Wie ausgeführt bieten Dienstleister eine Vielzahl von Vorteilen und Chancen, die einen externen Logistikpartner sehr attraktiv machen. Selbstverständlich gibt es aber auch einige Nachteile und Risiken, die bei der Auslagerung von Prozessen unumgänglich sind.
Zunächst wäre da etwa der Verlust an Kontrolle und Transparenz. Wenn alles rund läuft, ist davon kaum etwas zu spüren. Insbesondere bei Klärfällen erschwert das Set-up allerdings nicht selten den Informationsfluss: vom Kunden an den Verkäufer an den Dienstleister und dann wieder zurück. Natürlich bemühen sich Logistikpartner, ein (wirtschaftlich vertretbares) Maximum an Einsicht und Einfluss in die übernommenen Prozesse zu gewähren. Zum einen ist das aber kaum vergleichbar mit komplett selbst verantworteten Operations, zum anderen ist damit ein nicht ganz unerheblicher IT-Integrationsaufwand verbunden. Letzterer fällt übrigens bei Auslagerung von Logistikprozessen in jedem Fall an – Plug & Play gibt es in diesem Kontext nur äußerst selten.
Neben dem IT-Aufwand bedeutet es freilich auch Aufwand, ein entsprechendes Vergabeprojekt zu stemmen. Von den Ausschreibungsunterlagen über die Verhandlungen bis hin zur Abnahme und zum Ramp-up gibt es einige Herausforderungen, die es zu umgehen gilt. Da derartige Projekte für die meisten E-Commerce-Unternehmen neu oder zumindest selten sind, hat man oft nicht die notwendigen Experten im Haus. Im schlimmsten Fall ist man für die nächsten drei bis fünf Jahre in einem suboptimalen Set-up vertraglich gebunden.
Abschließend sei noch einmal Bezug genommen auf die oben erwähnte These, dass eigene Operations als langfristig günstiger anzusehen seien. Ab einer bestimmten Skala ist dies tatsächlich der Fall (mal abgesehen vom durchaus verbreiteten Umgehen der eigenen Lohnzusagen durch Subdienstleister). Man muss sich also überlegen, ob man die etwas schwierigere kleine bis mittelgroße Phase selbst meistert, um schrittweise zu lernen, Know-how aufzubauen und dann später skalieren zu können.
Schaut man sich die mittleren und großen Player an, geht der Trend zu Hybrid-Lösungen von Insourcing und Outsourcing, und zwar vertikal als auch horizontal. Amazon und Zalando bauten in den letzten Jahren eigene Lieferdienste auf, um unabhängiger vom KEP-Markt zu werden, mehr Kontrolle und Transparenz zu gewinnen und weil ihre Größenordnung es ihnen erlaubte (vertikales Insourcing). Interessanter Nebeneffekt: Beide Player können nun auch eigene Fulfillment-Dienste anbieten und werden durch diese Plattform-Strategie in Teilen selbst zu einem 3PL für ihre Lieferanten (horizontales Insourcing).
Fazit: Outsourcing ist besonders anfangs sehr interessant und nimmt mit anhaltendem Wachstum ab, bis sich optimale Hybrid-Lösungen etabliert haben. In der Praxis muss man sich jeden Einzelfall genau anschauen, um eine fundierte Entscheidung treffen zu können. Gerne unterstützen wir dich bei diesem Prozess. Diskutiere mit uns via E-Mail oder über LinkedIn und Xing.